2018 – 15 Jahre Eisbrecher – Volle Kraft Voraus Fesival in Ulm

An diesem sonnigen Herbstsamstag wurde es in Neu-Ulm schon früh dunkel. In der Ratiopharm-Arena luden Eisbrecher zu ihrem 15-jährigen Bestehen zum zweiten Volle Kraft Voraus Festival ein. Viele, meist in schwarz gekleidete Besucher mit erwartungsfrohen Gesichtern bewegten sich in Richtung Vorplatz oder Haupteingang. Draussen konnte man sich beispielsweise mit Käsespätzle oder Hamburgern verpflegen. Nebst Bier, Cocktails und Softdrinks durfte natürlich auch ein Met-Stand nicht fehlen. Vor dem Tisch, an dem Eisbrecher gerade Autogramme gaben, hatte sich eine lange Menschenschlange gebildet, ebenso vor dem Festival-Merch-Stand. Join the queue war das Motto, was die gute Laune der Anstehenden keineswegs schmälerte.

Für Schöngeist, den Opener des diesjährigen Volle Kraft Voraus Festivals versammelte sich um 15 Uhr bereits eine ansehnliche Fanschar vor der Bühne. Kein Wunder, waren einige doch bereits um 10.30 Uhr bei der Ratiopharm-Arena eingetroffen, wie ich vor den Konzerten beim gemütlichen zusammensitzen auf den Festbänken vor der Halle erfuhr. Timur Karakus und seine Band entfachten ab dem ersten Song Zusammen Allein ein Feuer, das bis zum Ende des Events nicht mehr ausging. Die Fans waren schon ganz dabei und klatschten mit. Schöngeist aus München haben eine fabelhafte Auftakt-Show geboten, mit 25 Minuten leider etwas kurz, war doch eine halbe Stunde angekündigt. Ein Song hätte da von mir aus gesehen noch Platz gehabt.

Jetzt wurde es härter und vor allem metallisch. Stahlmann aus Göttingen heizten den Leuten so richtig ein. Schon bei Der Schmied sang die ganze Halle den Refrain mit. Der Frontmann Mart Soer und seine Mitstreiter wissen, wie sie die Fans bewegen. So blieb bei Spring Nicht nur Dimitrios Gatsios an den Drums sitzen und gab den Takt vor, zu dem sich Eugene Anagnorisis am Bass und Gitarrist Mario Sobotka als Vorspringer betätigten. Das Publikum liess sich nicht bitten und sprang begeistert mit. Mart war während der Show auf der gesamten Bühne in Bewegung, so dass auch die Zuschauer auf den Sitzplätzen ihn nicht nur aus der Ferne sahen. Stahlmann haben bis zu ihrem Schlusstitel Süchtig eine tolle Show abgeliefert.

Alexx „Der Checker“ Wesselsky auf dem Volle Kraft Voraus Festival in Ulm

Skandinavien war durch Zeromancer aus Norwegen vertreten. Die Synth-Rocker rissen die Menge vom ersten Ton an mit. Alex Møklebust am Mikrofon begeisterte mit seiner extrovertierten Performance, der Kim Ljung mit Bass und Gesang um nichts nachstand. So sieht ein feuriges norwegisches Elektro-Spektakel aus. Live sind die Herren aus Norwegen deutlich druckvoller als ab Konserve, das honorierte das Publikum indem es klatschte, tanzte und von Anfang an mitsang. Für Gitarrist Dan Heide war dies das zweitletzte Konzert mit Zeromancer, da er die Band nach 15 Jahren noch diesen Monat verlassen wird, jedoch nicht im Streit, sondern zwecks Neuorientierung. Noralf Ronthi am Schlagzeug und Lorry Kristiansen sorgten mit ihm zusammen für den passenden Klangteppich bei Songs wie Bye Bye Borderline oder Auf Wiedersehen Boy. Passend zu den teils deutschen Songtiteln waren die Ansagen auch teils in ziemlich akzentfreiem Deutsch.

Die Pioniere des EBM und Industrial Die Krupps liessen die Halle inklusive aller Anwesenden förmlich erbeben. Sänger Jürgen Engler bearbeitete das Stahlophon unter anderem bei Wahre Arbeit Wahrer Lohn, begleitet von Nils Finkeisen und Marcel Zürcher an den Gitarren. Die passenden, brachialen Beats kamen von Hendrik Thiesbrummel und Ralf Dörper war für die Samples zuständig. Ohne Verschnaufpause verwandelten Die Krupps die Arena in einen brodelnden Hochofen. Mit den passenden Lichteffekten und viel Nebel auf der Bühne war dieser Auftritt ein Genuss für die zahlreich anwesenden Freunde des stampfenden Industrial-Sounds, und so war auch die Stimmung grandios. Eine Geschichtslektion erhielten die Zuhörer von den Düsseldorfern bei Nazis auf Speed und auch Robo Sapiens durfte nicht fehlen.

Weiter ging die schwarze Party mit Oomph! Bestens gelaunt nahmen die Männer um Frontmann Dero Goi die Stage ein und legten los mit Das Weisse Licht. Die Stimmung in der Arena erklomm neue Höhen bei Gott Ist Ein Popstar und Labyrinth. Oomph! hielten, was der Name verspricht. Flankiert wurde Dero von den beiden Gitarristen Robert Flux und Andreas Crap, er mit beleuchteter Gitarre, was mein Fotografenauge besonders gefreut hat. Weiter waren an diesem überzeugenden und schweisstreibenden Auftritt der Basser Hagen Gödicke, der Drummer Silvestri und Felix an den Keyboards beteiligt. Bei Augen Auf Ich Komme brachten Oomph! die Halle zum kochen. Die Menge feierte ausgelassen mit und dankte den Künstlern so für ihre mitreissende Show.

Dero von Oomph! zeigte sich in bester Konzertlaune

Die Atmosphäre war an diesem Zeitpunkt bereits so nahe am Zenit, dass ich mir bei anderen Künstlern Sorgen gemacht hätte, ob dies überhaupt noch zu toppen ist. Nicht aber bei Eisbrecher. Nun wurde es bombastisch und verschneit! Dermassen eisig und trotzdem heiss, das schafft nur diese Band. Gespannt warteten alle vor dem Vorhang, der die Bühne vor dem Konzert der Gastgeber verhüllte. Eisbrecher starteten passenderweise druckvoll mit Sturmfahrt. Genau dazu wurde der ganze Auftritt auch. Alexander Wesselsky am Mikro, Jürgen Plangger, Rupert Keplinger und Noel Pix an den Saiten und, über allem thronend, Achim Färber am Schlagzeug, lieferten vom ersten Ton an eine unvergessliche Show, die vom Publikum begeistert gefeiert wurde. Volle Kraft Voraus, der Titelsong des Festivals durfte genauso wenig fehlen, wie Antikörper, Augen Unter Null oder Amok. Eine sehenswerte Lightshow begleitete den Auftritt der Männer aus der Kälte. An echtem Schnee, der nach Eiszeit von der Bühne geschippt werden musste, hat es auch nicht gefehlt. Aber nicht nur Eisbrecher sangen an diesem Abend. Zum 15. Geburtstag der Band erhielten die Herren vom Publikum ein vielstimmiges Happy Birthday. Da wurde einem trotz des vorherigen Schneefalls warm ums schwarze Herz. Bestens gelaunt führte Herr Wesselsky durch den späten Abend und bewies im Anschluss an Miststück seine Rapper-Qualitäten, als er Rock Me Amadeus von Falco anstimmte. Die Titel waren eine gelungene Mischung aus alten und neuen Eisbrecher-Werken. Diese Show war für mich der perfekte Abschluss eines wundervollen Festivals.

Für mich ist das Volle Kraft Voraus ein grossartiges Festival. Location, Organisation, Besucher, Stimmung und natürlich die Künstler, alles hat gepasst. Ich mag Festivals, die auf einer einzigen Bühne stattfinden, da die meist verlustreichen Entscheidungen, wen man sich auf Kosten einer anderen Show ansehen will, wegfallen. Das Volle Kraft Voraus hätte definitiv eine ausverkaufte Halle verdient gehabt. Aber man braucht ja noch Ziele für nächstes Jahr. Also Leute, zeichnet am 07.09.2019 einen Eisbären in die Agenda und reserviert euch das Datum!