Dieses Jahr hätte eigentlich das 20. Castle Rock Festival stattgefunden. Aktuell wird aber der Hof des Schloss Broich saniert. Da die Jubiläumsausgabe des Castle Rock in gebührendem Rahmen stattfinden soll, also im Schlosshof, wurde kurzerhand das einmalige Near Castle Festival auf der Wiese gleich hinter dem Schloss, auf der MüGa-Wiese, ins Leben gerufen. Der 20. Geburtstag wird 2020 am gewohnten Ort zelebriert.
Das Programm war diesmal leicht verändert, so fand am Freitag der Local Heroes Day statt, wobei auch Punk-Rock-Klänge Einzug ins Festival fanden. Die ersten am Start waren aber Another Tale, die Essener Gothic-Rocker. Wunderschön, manchmal rockig, dann wieder melancholisch wusste die Truppe um Sänger Cowboy die Anwesenden zu überzeugen. Basser Andreas Baumert alias Igor Balcescu war eher selten auf der Bühne, dafür immer wieder mitten im Publikum oder auch auf dem Rolli-Podest anzutreffen. Traditionell war der letzte Song Idiot denjenigen Menschen gewidmet, die leider nicht mehr unter uns weilen. Toller Sound, sympathischer Auftritt, das war ein sehr schöner Auftakt in das Wochenende beim Schloss!
Extrovertiert, exzentrisch, explosiv – das sind Double Crush Syndrome! Da wechselten sich Punk und Rock’n’Roll ab, satte Basslines und krachende Gitarrenriffs, alles gewürzt mit viel Power. Sänger und Gitarrist Andy Brings sowie Slick Prolidol am Bass haben früher bei The Traceelords schon zusammen im Rampenlicht gestanden. Das Publikum sang bei der Hymne Die For Rock’n’Roll lauthals mit den Mülheimern mit, der Lohn für eine energiegeladene, schweisstreibende Show, die allen, ob auf, oder vor der Bühne einen Riesenspass gemacht hat. Notiz an mich: ich brauche silberne Hosen!
Die Lokalmatadore, dies ist wortwörtlich zu verstehen, da die Truppe ebenfalls aus Mülheim kommt, waren der Farbtupfer des Freitags. Sie überzeugten ihre Fans voll und ganz mit ihrem Punk-Rock-Auftritt. Eingängige deutsche Texte, bei denen sie kein Blatt vor den Mund nehmen und natürlich ihre Outfits sind ihr Markenzeichen. So stellte Sänger Fisch im, teils bauchfreien, blauen Polyester-Rüschenhemd fest, dass dies die perfekte Klamotte für einen heissen Sommerabend sei…
Bestens gelaunte Schlachtenbummler erwarteten die Headliner des Freitags, Betontod. Trotz Gips am Arm fegte Frontmann Oliver Meister während der ganzen Show über die Bühne. Die anderen Bandmitglieder standen ihm betreffend Action und Einsatz in nichts nach. Die Zuschauer liessen sich sich von der Truppe aus Rheinhausen anstecken und feierten eine grosse Punk-Rock-Party. Bei Nie mehr Alkohol sang die Menge den Refrain gleich alleine. Im und um den Moshpit war die Stimmung ausgelassen und es erstaunt nicht, dass Betontod seit bald 30 Jahren einen wichtigen Teil der deutschen Punk-Rock-Szene darstellen.
Am für Festivalbesucher frühen Samstagmorgen um 13.00 Uhr begann der zweite Tag mit Circus Of Fools. Die Tübinger in ihren apokalyptischen Outfits, allesamt an Zirkusfiguren wie Pierrot, Harlekin oder den Pantomimen angelehnt, verwandelte die Stage in ihre Manege. Es war ein Leichtes für die Truppe, die noch etwas verschlafenen Zuschauer mit ihrem druckvollen Melodic Death Metal aufzuwecken. Spannend finde ich bei Circus Of Fools die gekonnte Kombination von Gegensätzen: der helle, klare Gesang von Carolin Saia und die Growls von Tim Strouken, den nicht alltäglichen, aber umso grossartigeren Einsatz der Bratsche von Coen Strouken und die schwarz-weissen Klamotten, die sie von anderen Gothic-Acts abheben.
Anschliessend gab es eine kleine Programmänderung, da The Fright ihren Auftritt leider krankheitsbedingt absagen mussten. Äusserst kurzfristig sprangen Vodooma ein und lieferten eine coole Show ab. Die Dark-Rocker aus Düsseldorf legten einen Auftritt mit viel Energie, Können und Spass hin.
Schattenmann feierten beim Near Castle das Release ihres neuen Albums „Epidemie“ am Vortag. Brettharte Riffs und eingängige Melodien der Neue Deutsche Härte-Combo aus Nürnberg, kombiniert mit Texten direkt aus dem Leben – diese Mischung bleibt in den Ohren hängen. Frontmann Frank Herzig sich bei den Fans für die Unterstützung in den letzten drei Jahren, die diesen Erfolg – der neue Silberling landete auf Platz 32 der Offiziellen Deutschen Charts – erst möglich machen. Zum Dank wurden danach alle zum Titelsong mit dichtem giftgrünem Rauch eingenebelt. Die Jungs hatten und machten Spass und ich wünsche Ihnen, dass diese Epidemie noch lange weitergeht!
Mit Null Positiv stürmte geballte Frauenpower die Stage! Elli Berlin, das bedeutet unbändige Energie, grossartige Ausstrahlung und ein gekonnter Mix aus Growls und markantem Klargesang. Die fast ausschliesslich deutschen Texte, dazu der düstere Metalsound und Ellis Bühnenpräsenz und Charisma machten den Auftritt absolut beeindruckend. Elli ist einzigartig ausdrucksstark und lieferte mit ihrer Band sowie zwei Tänzerinnen eine sehenswerte Show, die alle Anwesenden in ihren Bann zog. Dies war die Erste Show von Basser Manu und zusammen mit der ganzen Truppe von Null Positiv hat er genial abgeliefert.
Einen Stilwechsel erlebten die Zuhörer beim nächsten Gig. Die Bouzouki-Rocker von Tri State Corner übernahmen die Stage. Die Herren aus Polen, Griechenland und Deutschland, daher auch der Name, machen einen einzigartigen Sound aus hartem Rock und den feinen Saitenklängen der Bouzouki, einer griechischen Laute. Seit Jahren mit ihrem unvergleichlichen Stil unterwegs, überzeugten sie mit viel Spielfreude. Ein weiteres, eher selten auf Rockbühnen anzutreffendes Instrument fiel bereits vor dem Auftritt des Quartetts ins Auge: die Darbuka, eine Bechertrommel, die Sänger Vassilios Maniatopoulos spielte. Ich freue mich immer, Musik zu hören, die etwas sehr eigenständig klingt. Wem das ebenfalls gefällt, dem kann ich Tri State Corner sehr ans Herz legen!
Nach einer kurzen Umbaupause wurde es dunkel. Nicht nur auf der Bühne und in den Herzen der Anhänger von Gothminister, sondern auch am Himmel. Die Norweger begannen ihre Show noch im Trockenen, das änderte sich aber bald und ein erster Regenguss ging über dem Festivalgelände nieder. Dies hinderte aber die Zuschauer nicht daran, die düstere Show von Bjørn Alexander Brem, im Alltag übrigens Anwalt, und seiner Combo weiter zu geniessen. Schliesslich sind Festivalbesucher ziemlich wasserfest und die Bierbecher bei solchem Wetter nicht ganz so schnell leer. Gegen Ende des Auftritts gesellte sich Felix Stass von Crematory zu den Dark Metallern und rockte mit ihnen, was vom Publikum mit begeistertem Applaus gefeiert wurde.
Je später der Abend, desto heftiger die Niederschläge. Je näher der Auftritt von Stahlzeit kam, desto nasser wurde es von oben. Heli Reißenweber und seine Mannen standen genauso im Regen wie die Leute vor der Bühne. Da gab’s nur eins, möglichst weit nach vorne, um sich von der Pyro-Show der Rammstein-Tribute-Rocker etwas trocknen oder wenigstens aufwärmen zu lassen, empfindlich kühl war es nämlich inzwischen auch. Zu Songs wie Amerika wurde gefeiert, was das Zeug hielt, und Stahlzeit hielten, was der Name verspricht. Eine bombastische Performance, die sogar musikalisch und gefühlt, im gleichnamigen Song die Sonne wieder aufgehen liess. So heizte man sich gegenseitig ein und vergass darüber den Regen schon fast.
Ein herzliches Dankeschön an Michael Bohnes und seine ganze Crew, dass sie auch dieses Jahr, trotz gesperrtem Schlosshof, ein Festival organisiert haben. Es war grossartig und wir freuen uns auf nächstes Jahr, dann mit rundem Geburtstag und wieder am angestammten Platz. Der Vorverkauf für die Jubiläums-Ausgabe beginnt übrigens am 31. August 2019.